Das neue Werk von T. Andreas Hoffmann ist ein Muss für jeden S/W-Fotografen

Torsten Andreas Hoffmann ist fotografischer Allrounder. Landschaften, Surreales, Menschen in ihrer (städtischen und natürlichen) Umgebung (Mensch und Raum), Porträts, Street, Architektur, Sozial- und  Reisefotografie, Fotografie der Dinge und Details – der Kunstfotograf und Autor vieler Fachzeitschriftenartikel (Heise, Merian, Leica…), Fotobücher und großformatiger Kalender schöpft aus dem Vollen seiner Foto-Reisen in die verschiedensten Länder der Erde.

Das schön gedruckte Buch

Das reich bebilderte 400-seitige neue Werk über Schwarz-Weiß-Fotografie hat es in sich.

Die Magie der Schwarzweiß-Fotografie

Die Stärken dieses Buchs: Ein ganzes Spektrum fotografischer Gestaltungsmöglichkeiten wird anschaulich mit über 300 Beispielen vor dem Leser ausgebreitet. Für engagierte Schwarz-Weiß Fotografen ist dieses Buch ein Muss: Zum Preis eines UV-Filters erhaltet ihr einen besonderen Gegenwert. Nicht nur gewichtsmäßig! Das Buch ist 1,6 kg schwer, 20x26cm groß. Es ist fein untergliedert: Schon das Inhaltsverzeichnis ist ein grafischer Genuss mit Minivorschaubildern. Großes Lob an den D-Punkt-Verlag:

  • fester Einband,
  • gut gebunden,
  • klasse Druckqualität,
  • angenehmes Druckbild,
  • breiter Rand für eigene Anmerkungen,
  • ja sogar ein Lesebändchen!

Für 44,90 EUR ist dieses Buch ein Schnäppchen. Vielleicht hätte die Druckschrift noch ein bis zwei Punkte größer sein können; besonders der Text neben den Fotos ist mir etwas zu klein, aber das ist Jammern auf hohem Niveau.

Bestellt es euch direkt hier…

Nah an der Praxis – trotzdem nicht ohne Tiefgang

Der Autor ist immer nah an der Praxis; er gibt realistische, leicht umsetzbare technische und grafische Tipps. Außerdem verteilt er (als studierter Kunstpädagoge) gerne verschiedene ‚Foto-Aufgaben‘ und gibt zugleich konkrete Beispiele, wie man diese lösen könnte. Das Buch wirkt trotz seiner 400 Seiten nie überladen, da es größtenteils aus Foto-Beispielen besteht, die jeweils im Zusammenhang mit der fotografischen Aufgabe interpretiert werden. Der Schreibstil ist zudem leicht verständlich, ohne seicht zu werden, denn das Buch ist gespickt mit kleinen Exkursen in die Kunst- und Fotogeschichte. Es behandelt auch philosophische Fragen, die mit der menschlichen Wahrnehmungs- und Erkenntnisfähigkeit zusammenhängen. Auch ein gewisser Tiefgang ist ihm zu eigen, denn T. Andreas Hoffmann zeigt, dass Fotografie ein Mittel sein kann, um die Grenzen menschlicher Wahrnehmungsfähigkeit zu erweitern.

Der rote Faden

Obwohl aufgrund der Motiv-Fülle zwangsläufig kein zentraler Fokus auf ein bestimmtes fotografisches Thema existiert, lässt sich doch ein roter Faden erkennen:

Eingesetzte Foto-Technik kein Selbstzweck

Immer ist die verwendete Technik dem fotografischen Gestaltungswillen untergeordnet. Nie wird Technik beim Autor  zum Selbstzweck; von seiner Seite kommen daher nur spärliche Hinweise auf die eingesetzte Kameraausrüstung. Die Hervorhebung der Leica Monochrom in einem besonderen Kapitel wirkt daher m.E. auch ein wenig unnötig, gerade weil T. A. Hoffmann die eingesetzte Kameraausrüstung immer im Funktionszusammenhang mit der beabsichtigten Gestaltung (und auch der avisierten Printgröße) sieht. Die mit der wunderlichen Leica-Monochrom erstellten Fotos hätten auch mit jeder anderen Kamera, ja selbst mit einer 50 Jahre alten 10 EUR-Analogkamera vom Grabbeltisch gemacht werden können.

Fotografie als Erweiterung menschlicher Wahrnehmungsfähigkeit

T. Andreas Hoffmann versucht, mit seinen foto-grafisch und künstlerisch geprägten Sichtweisen noch andere Dimensionen der Realität erkennbar werden zu lassen. Zu Recht weist er auf die Begrenztheit der menschlichen Wahrnehmung hin; Erweiterung und Schulung dieser Wahrnehmung durch Fotografie kann die Entwicklung eines besseren Verständnisses der Welt und ihrer Zusammenhänge befördern. Der fotografische Prozess wird so zugleich zum Erkenntnis- und Selbstfindungsprozess. In diesen Zusammenhang ordnet sich auch sein früheres Werk „Fotografie als Meditation“ ein, das ich in der FG hier bereits besprochen habe.

Fotografische Planung und Intuition

Für Teilzeit-Fotografen wie mich ist es auch interessant zu sehen, dass Profis verdammt oft gute Fotos ‚konstruieren‘. Entweder warten sie an der bestgeeigneten Stelle, bis ein Mensch passend das Bild quert, oder sie lassen die Menschen mehrfach für sich springen und laufen, bis das beabsichtigte Foto perfekt ist; oder sie warten auf das richtige Licht bzw. besuchen dieselbe Stelle am nächsten Tag noch einmal, wenn das Licht passender ist; oder sie studieren einen Ort von den verschiedensten Seiten und zu den verschiedensten Tageszeiten. Dazu kommt noch die intensive Nachbearbeitung in Lightroom, Photoshop, Silver Efex etc. Der  Autor macht aus dieser Methode keinen Hehl – im Gegenteil. Bei perfekten Fotos ist somit oft viel weniger Zufall als Planung und starke Nachbearbeitung im Spiel. Natürlich auch erfahrungsgeleitete Intuition, aber eben auch das bewußt Gestellte.

Farbe bekennen in der Schwarz-Weiss-Fotografie

Natürlich hat T. Andreas Hoffmann auch eine Weltanschauung und zum Glück hält er damit nicht hinter dem Berg. Kritik an den Globalisierungsfolgen, dem Arm-Reich-Gefälle, der Naturzerstörung, dem Klimawandel, Massentourismus, der neuzeitlichen Funktionsarchitektur etc. kommt nicht zu kurz.

Andreas Hoffmann ist offen geblieben, zweifelt und entwickelt seine fotografischen Sehweisen der Welt ständig weiter. Seine besondere Stärke ist das Finden neuer Sichtweisen, neuer grafischer Perspektiven und Bilderanordnungen. Andreas Hoffmann ist vielfältig im künstlerischen und grafischen Bereich gebildet; sein Blick für grafische Formen ist phänomenal.

Es ist meines Erachtens aller Achtung wert, dass er sich auch politisch und als Architektur-Ästhet äußert und Farbe bekennt in der Schwarz-Weiß-Fotografie.

Sein geschärftes kritisches und satirisches Bewusstsein kommt so z. B. in einer neuen satirischen Collagenserie zum Ausdruck (einige Beispiele davon auch in dem besprochenen Buch): hier kombiniert er seine Fertigkeiten im digitalen Labor mit seinen graphischen und kritischen Sichtweisen und erstellt beeindruckende surreale Bilder, die aufgrund ihrer technischen Perfektion extrem realistisch wirken und eine ordentliche Portion Galgenhumor enthalten. Wird das Surreale nicht immer mehr zur Realität? Diese Bilder stellen in gewisser Hinsicht eine digitale Weiterentwicklung der kritischen Plakate von Klaus Staeck aus den 80-er Jahren dar; Hoffmanns Collagen haben noch mehr Tiefgang (1., 2. und 3. Welt werden in eine satirische Verbindung gebracht), sind komplexer in den Anspielungen (erfordern daher etwas Hintergrundwissen), ja mich erinnern sie auch an die – zumindest bei ihren Elementen schlichteren – Bilder von Rene Magritte, die scheinbar unvereinbare Dinge aus dem Alltagsleben in einen ’natürlichen‘ Zusammenhang bringen oder sogar verschmelzen.
T. Andreas Hoffmanns Bildserie ‚Janusblicke‘ stellt eine Vorstufe zu der neuen surrealen Bildserie dar: Bei den Janusblicken stellte er die Fotos derselben Örtlichkeit (betrachtet unter 2 Blickwinkeln) noch nebeneinander; bei den surrealen Collagen verschmelzen Fotos unterschiedlicher Örtlichkeiten in einem Bild mit dem dazu gehörenden satirischen Text.

Hoffmann hat im Zusammenhang mit diesen neuen surrealen Foto-Collagen sogar 2 satirische Videos gedreht, die ihr hier auf der FG sehen könnt und die durch seine ‚Nachrichtensprecher-Sachlichkeit‘ erst ihre volle ironische Wirkung entfalten:

Video 1

Video 2

Die Fotografen- und Künstlerkollegen

Beiläufig streut der Autor Bezüge zu vielen Künstlern und Fotografen ein, die seine umfassende Kenntnis der gegenwärtigen und vergangenen Kunstepochen zeigen.

Seine große Stärke liegt im untrüglichen Blick für graphische Kompositionen, für die Formensprache von Dingen und Menschen eingebettet in den Raum, daher seine Vorliebe für Architektur, abstrakte Fotos, Landschaften, Verwischtechniken, Unschärfetechniken, Himmelsbilder, New Yorker Hochhausschluchten, formalen Bezügen zwischen Naturformen und menschgeschaffenen Formen, surrealen Landschaften, starken grafischen Widersprüchen etc.

Nach diesen Schwerpunkten verteilen sich die ca. 317 gezeigten Bilder auch mengenmäßig in seinem Buch:

Motiv Bilder Anteil
Architektur 87 27,44 %
Mensch + Raum (‚Street‘) 67 21,14 %
Naturlandschaften 49 15,46 %
Stadtlandschaften 36 11,36 %
Menschen/Porträts (emotional) 29 9,15 %
Rein grafische Kompositionen und Verwischtechnik 26 8,20 %
Sozialkritische Fotos 13 4,10 %
Dinge 8 2,52 %
Surreale Bilder 2 0,63 %
Gesamtzahl 317 100,00 %

 

 

 

 

 

 

 

Was ich gelernt habe (Bilderanhang)

Nun versuche ich, einige Anregungen von T. Andreas Hoffmann in eigenen Bildern umzusetzen.

 

Blick ins Buch (auf Abbildung klicken)

Die Magie der Schwarzweiß-Fotografie