Fotografische Anfänger  (ich zähle mich selbstredend dazu) stellen sich manchmal die Frage, welche Kamera wohl ein bewunderter Fotograf für seine Bilder verwendet(e). Und gleichzeitig kommt der etwas peinliche Wunsch, diese Kamera auch zu kaufen.

Lebt die vollkommen überteuerte ‚Sammler-Kameramarke‘ Leica nicht indirekt bis heute vom Image legendärer Fotografen, die mit einer Leica ihre berühmten Bilder mach(t)en? Obwohl sich kein ernsthafter Fotograf heute noch eine neue, 10.000 EUR teure, z.T. in weißes Leder , oder gar in Schlangen- bzw.  Krokoleder gepackte Leica (ob digital oder analog) kaufen wird…

Gut – wir kennen das ganze (richtige) Geschreibsel von

  • „auf die Kamera kommt es nicht an“,
  • „der Mensch, der hinter der Kamera steht, macht die guten Bilder“,
  • „ein schlechter Fotograf produziert sogar mit einer Leica M9 nur Bildermüll“ oder vice versa:
  • „ein gute Fotograf macht selbst mit einem 50 Jahre alten Kamerahandy (;-) noch geniale Aufnahmen“
  • „den Chefkoch fragst du ja auch nicht, mit welchen Töpfen er gekocht hat“
  • etc.

und trotzdem will man es immer wieder wissen.

Sebastião Salgado z.B. (eine schöne Präsentation seiner Bilder findet man auf Artsy.net)  hat früher analog mit Leica M, Leica R und Pentax 645 fotografiert, aber – und das wird die Vereinigung für Digitalkameraverweigerer (VFDKV) (ja sowas gibts!) gar nicht freuen – seine beeindruckende S/W-Langzeitserie ‚Genesis‚  (2004-2012 –  https://www.amazonasimages.com/grands-travaux) realisiert er mit einer digitalen Canon 1D MK3 und handelsüblichen Canon-Zoom-Objektiven wie z.B. dem Canon 24-70 1:2.8 L.

Gründe für den digitalen Schwenk sind neben der Platz- und Gewichtsersparnis z.B. verschärfte Sicherheitskontrollen an Flughäfen, die jedesmal einen Einzelcheck großer Filmmengen erforderlich machen. Die andernfalls eingesetzten X-Ray Scanner vermindern nämlich die Filmqualität. Eine Digitalkamera bietet Salgado auch die Möglichkeit, den fotografierten Ureinwohnern die Aufnahmen direkt auf dem Display zu zeigen, was den Indianern genauso wie uns Großstädtern offensichtlich Freude bereitet. Eines seiner Videos zeigt das sehr schön und verdeutlicht außerdem die extreme Ungleichzeitigkeit in unserer Welt: Der Ureinwohner begutachtet sein eigenes Foto auf dem Digitalkamera-Display und lächelt voller Wohlgefallen…

Die Digitalkamera unterstützt damit auch Salgados Aufnahme-Philosphie, die besagt:

„The picture is not made by the photographer, the picture is more good or less good in function of the relationship that you have with the people you photograph.“

Im folgenden Video erzählt Salgado einiges bzgl. der Zuverlässigkeit des Canon Equipments:

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Entscheidend ist aber nun, was nach der digitalen Aufnahme kommt (und das wird dem  Digitalkameraverweigerer wiederum ein triumphierendes Lächeln entlocken):  Sebastião Salgado läßt die Digitalaufnahmen angeblich auf Grossformat (4×5 inch) S/W-Film ausbelichten und diesen dann im herkömmlichen Labor-Verfahren entwickeln, um seinen berühmten ‚Tri-X-Bilder-Look‘ zu erzeugen.

Ich weiß nicht, ob diese Information wirklich richtig ist; darauf kommt es mir aber auch nicht so sehr an. Viel wichtiger ist die Erkenntnis, dass erfahrene Fotografen grundsätzlich mehrere nur ihnen selbst bekannte Methoden einsetzen, um Ihre grandiosen Bildwirkungen zu erzielen, und dass die Kamera in diesem Zusammenhang nur ein Kettenglied in einer sehr langen Kette von der Aufnahme bis zum fertigen Bild darstellt. Wir können außerdem ziemlich sicher sein, dass diese Fotografen uns ihre wichtigsten technischen Feinheiten i.d.R. nicht verraten werden. Genausowenig hat Rembrandt die Zusammensetzung seiner Farben veröffentlicht.

Nur Bilderstümper gehen gerne mit ihren Tipps und Tricks hausieren. Am aktivsten in Foto-Foren sind die Leute mit den schlechtesten Bildern. Die besseren Fotografen dagegen verraten nur das, was ohnehin alle sehen können. Anstatt in Foto-Foren ihr Wissen preiszugeben, gehen sie lieber fotografieren…

Somit bleibt uns nur die Erkenntnis, dass wir mit der Information über Sebastião Salgados Canon Digitalkamera tatsächlich nicht viel anfangen können…  Die Leute mit einer Nikon- oder gar Leica-Ausrüstung sollten sich daher auch keine allzu großen Sorgen machen. (;-)

Einen Schlüsselfaktor großartiger Fotografie (neben den Erfahrungen und Fähigkeiten des Fotografen) darf abschließend nicht unerwähnt bleiben: die Zeit, die man für ein Fotoprojekt aufwendet. Sebastião Salgado veranschlagt für sein Genesis-Projekt 8 (acht) Jahre (!). Auch an seinen anderen großen Projekten (‚Workers‘ etc.) hat er jeweils mehrere Jahre gearbeitet. Und diese lange Zeit ist auch erforderlich, damit großartige Fotografie entstehen kann. Und genau deshalb kommen selbst hervorragende Hobbyfotografen nie über eine bestimmte Stufe fotografischen Könnens hinaus. Wie jede Kunst verlangt auch anspruchsvolle Fotografie den ganzen Menschen und seine ganze Arbeitskraft.