Will man alles, was einen umgibt, in Einzelaufnahmen fotografieren, was ja für 360°-Panoramen nötig ist, ist der naheliegende Denkansatz, die Kamera auf ein Stativ zu montieren und nach jeder Einzelaufnahme soweit zu schwenken, dass die Objekte, die gerade am linken Bildrand waren, nun im rechten zu sehen sind – wenn man das Ganze im Uhrzeigersinn ablaufen lässt. Oder eben umgekehrt, wenn man die Bildabfolge gegen den Uhrzeigersinn belichtet.

Tatsächlich funktioniert es auch auf die Weise – und zwar recht gut, solange sich alles in relativ großer Entfernung befindet. Bei weiten Landschaften etwa gibt es da kaum Probleme. Die beginnen aber, wenn es in der Szene sowohl sehr nahe, als auch entfernt liegende Objekte gibt. Dann macht sich eine Ungenauigkeit bemerkbar, die einem anfangs vielleicht nur marginal erscheint. Ich jedenfalls habe anfangs geglaubt, diese Ungenauigkeit vernachlässigen zu können.

Objektverschiebung bei Kameraschwenk

Lageänderung zweier Objekte zueinander

In der Kamera entsteht das Abbild nämlich nicht über dem Drehpunkt (dem Punkt, an dem sich das Stativgewinde am Gehäuse befindet), sondern in dem Punkt im Objektiv, in welchem sich alle einfallenden Lichtstrahlen kreuzen – und der liegt doch, je nach Kamera und Brennweite, einige Zentimeter vor dem Drehpunkt der Kamera. Dieser Kreuzungspunkt der Strahlen wird (angeblich fälschlich) als nodaler Punkt oder Nodalpunkt bezeichnet. Da dieser Nodalpunkt nicht mit dem Drehpunkt zusammenfällt, wird er beim Schwenken von einer Aufnahme zur anderen nicht um sich selbst gedreht, sondern auch in seiner Lage im Raum verändert. Genau genommen hat sich nach einem Schwenk auch der Aufnahmestandort verändert. Die Konsequenz daraus: Es kommt zu einer Verschiebung der Parallaxe, ganz ähnlich, wie wenn man abwechselnd mit dem linken und dem rechten Auge auf zwei hintereinanderliegende Objekte blickt. Sie erscheinen aus jeder der beiden Ansichten anders gegeneinander verschoben. Das wird einzig bewirkt durch den Wechsel des Standorts, aus welchem auf die Objekte geblickt wird. In diesem Fall besteht die Änderung des Standorts bloß aus den 6,5 Zentimetern, die der durchschnittliche Augenabstand beim Menschen beträgt. Auch bei der Kamera sind es üblicherweise nur wenige Zentimeter, um welche sich der Kamerastandort, genauer gesagt, der Ort der Bildentstehung, verschiebt. Diese reichen aber, speziell bei naheliegenden Objekten, dass der Stitcher, jenes Programm, welches die Bilder später am Computer zusammensetzen soll, mit der Verschiebung nicht mehr klarkommt. Je nach dem Algorithmus, der zum Stitchen eingesetzt wird, entstehen andere Bildfehler, meist Verzerrungen, Verdoppelungen oder auch unscharfe Brüche im Bild, die dann allerdings nicht auf den ersten Blick nicht unbedingt erkennbar sind, sondern manchmal erst dann auftauchen, wenn man schon glaubt, dass das Bild fehlerfrei ist. Manches ließe sich zwar noch mit Photoshop-Methoden wenn schon nicht eliminieren, so doch recht gut vertuschen, aber diese Art der Bildbearbeitung ist doch recht unbefriedigend und auch zeitraubend. Zudem muss man vor manchen Fehlern dennoch kapitulieren und verliert damit eine ganze Aufnahmenserie, in welche außerdem schon eine Menge Zeit und Mühe investiert wurde, und das nicht, weil etwa das Motiv nicht ansprechend wäre, sondern auf Grund eines zwar bekannten, aber unvermeidbaren technischen Fehlers.

In der Abbildung ist die Situation der Lageänderung überdeutlich dargestellt: erstens durch die sehr kurze Brennweite (14 mm) und zweitens durch den sehr großen Abstandsunterschied zwischen den Referenzobjekten (Kante des Fensterrahmens im Vordergrund und Kante des Fensters am gegenüberliegenden Haus, markiert durch eine rote bzw. gelbe Linie). In der Praxis sind die Verschiebungen nicht so extrem, aber dennoch vorhanden. Die Aufnahmen sind entstanden vor und nach einem Schwenk der Kamera um die senkrechte Achse, die durchs Stativgewinde führt um etwa eine halbe Bildbreite.

Lage von Nodal- und Drehpunkt

Lage von Nodal- und Drehpunkt

Unvermeidbar ist der Fehler allerdings nur so lange, wie sich keine Möglichkeit findet, den Nodalpunkt exakt in die Drehachse des Stativkopfs zu verlegen. Doch diese Möglichkeit gibt es – schon lange! Sie besteht in Form eines Nodalpunktadapters, eines speziellen Stativaufsatzes, der mittels zweier verstellbarer Arme die Kamera in eine Position bringt, in der sie nicht nur exakt um den Nodalpunkt horizontal gedreht werden kann, sondern auch vertikal geschwenkt.Mit diesem vertikalen Schwenk wird es auch möglich, mehrreihige Panoramen zu erstellen, also 360°-Panoramen, die aus mehreren übereinander angeordneten Reihen zusammengesetzt sind. Die Ergebnisse sind Kugelpanoramen, Panoramen, die nicht nur in horizontaler Richtung volle 360° abdecken, sondern auch die vollen 180° in vertikaler Richtung.

Nodalpunktadapter von Novoflex

Nodalpunktadapter von Novoflex

Nodalpunktadapter gibt es am Markt, meist mit verstellbaren Armen, wodurch mehrere Kamera-Objektiv-Kombinationen möglich werden. Meist werden sie unter der Bezeichnung Panoramakopf oder VR-Kopf angeboten. Bekannte Hersteller sind: Manfrotto, Novoflex und Berlebach. Daneben gibt es auch Spezialisten: Agnos, 360 Precision, PanoKing, Panosaurus. Ich verwende einen Nodal Ninja 3 von Fanotec, der einen guten Kompromiss darstellt zwischen Preis, Transportfähigkeit, Stabilität, Präzision und Flexibilität. (Der Manfrotto 303Plus ist zwar fast ein Wunderwerk an Feinmechanik, ist auf einem Kreuzschlitten aufgebaut und hat präzise Feintriebe für alle Verstellmöglichkeiten, aber er benötigt für den Transport schon einen eigenen Koffer.)

Unter den Panoramafotografen scheint es auch sehr viele Bastler zu geben, denn ganz leicht findet man im Netz Anleitungen zum Selbstbau eines Nodalpunktadapters. Meist aber werden diese Konstruktionen größer und schwerer als käufliche Modelle. Aber natürlich kann man auf diese Weise auch etwa zwei Drittel der Kosten einsparen.

Ergänzt wird der Nodalpunktadapter meist durch einen Rotator, eine drehbare Scheibe, der zwischen die Mittelsäule des Stativs und den Adapter eingesetzt wird und erlaubt, den ganzen Aufbau um 360° zu drehen. Wenn dieser Rotator keine Raststellungen hat muss man entweder den benötigten Drehwinkel kennen und auf der Skala am Rand der Scheibe ablesen oder den Schwenkbereich im Sucher kontrollieren, das heißt, die Kamera zwischen den Aufnahmen soweit schwenken, dass markante Objekte, die sich vorher am rechten Sucherrand befunden haben, nach dem Schwenk links im Sucher zu sehen sind. Auf jedem Fall ist darauf zu achten, dass ein Überlappungsbereich von etwa 20% oder mehr bestehen bleibt. Damit kommen die meisten Stitcher klar.

Einfacher wird es, wenn der Rotator Raststellungen hat, dass heißt, die Möglichkeit bietet, die Drehung in verschiedenen Winkeln einrasten zu lassen. Dann können die Belichtungen völlig ohne Sucherkontrolle erfolgen. Was aber für professionelle Panorama-Fotografen noch wichtiger ist: Die Einstellungen sind komplett reproduzierbar. Werden daher verschiedene Panoramen mit exakt den gleichen Einstellungen gemacht, so kann das Stitchen am Computer später ebenfalls im Batchbetrieb automatisiert werden.

Für meinen Teil schätze ich zwar die Annehmlichkeit der Click-Stops (Raststellungen), strebe aber keine Massenproduktion von Panoramen an.

Vielfach wird unter dem Rotator auch noch ein Leveller eingefügt, ein Zwischenstück, mit dessen Hilfe der Aufbau exakt in die Waage gebracht werden kann. Dazu dienen drei im Dreieck angebrachte Rändelmuttern, die jeweils eine genau kontrollierbare Höhenverstellung der Auflageplatte bewirken. Ich selbst habe lange Zeit verzichtet auf den Leveller, zum einen, weil der ganze Stativaufbau mit jedem zusätzlichen Stück etwas instabiler wird, und zum anderen, weil ich auch stets gut zurechtgekommen bin mit leichten Verstellungen der Stativbeine um den Aufbau sehr präzise in die Waage zu bringen. Üblicherweise ist im Fuß des Nodaladapters eine Libelle angebracht, mit der sich die Ausrichtung kontrollieren lässt. Nur weil sich ein günstiger Ebay-Kauf eines sehr guten Levellers angeboten hat, bin ich jetzt auch im Besitz eines solchen. Der funktioniert allerdings nicht mit den drei Rändelnmuttern, sondern mit einer klemmbaren Halbkugel, ähnlich wie ein normaler Kugelkopf, aber deutlich stabiler und mit eingeschränktem Verstellmöglichkeiten. Es geht nun schneller und bequemer – aber nicht unbedingt besser.

So ausgestattet steht dem Einsatz des Nodaladapters nichts mehr im Wege – er muss nur noch auf die Lage des Nodalpunkts in der verwendeten Kamera-Objektiv-Kombination eingestellt werden. Tatsächlich aber kennen wir die genaue Lage des Nodalpunkts gar nicht. Bekannt ist nur, dass er irgendwo auf der optischen Achse im Objektiv liegt, meist eher im vorderen Teil. Aber die Vorrichtung lässt sich auch einrichten, ohne genau zu wissen, wo der Nodalpunkt liegt.

Einrichten der Kamera in zwei Phasen

Einrichten der Kamera in zwei Phasen

Zunächst wird die Kamera auf den Adapter montiert und senkrecht nach unten gerichtet. Damit sollte am Querbalken des Adapters die Drehachse im Sucher sichtbar werden. Meist ist die Achse in irgendeiner Form markiert, entweder durch einen Knopf, einen Schraubenkopf oder durch die Libelle. Dieses Markierungsobjekt sollte nun genau in der Mitte des Suchers erscheinen. Um das zu erreichen wird der senkrechte Träger am Querbalken solange verschoben, bis das der Fall ist und die Position fixiert. Damit ist bereits gewährleistet, dass die optische Achse des Objektivs die gedachte Verlängerung der Drehachse des Rotators schneidet. Nun sucht man sich zwei Objekte, von denen eines ziemlich nah und eines ziemlich weit entfernt ist und die beide deutliche senkrechte Linien aufweisen, die beim Blick durch den Sucher möglichst nahe beieinander liegen. Das kann etwa die naheliegende Stange eines Verkehrszeichen sein und eine weiter dahinterliegende Hauskante. Die auf dem ersten Bild gezeigten parallel verlaufenden Kanten wären gute Objekte zum Justieren des Nodalpunktadapters. Diese beiden Objekte visiert man nun mit dem Sucher an und zwar so, dass die beiden senkrechten Referenzlinien möglichst nah beieinander liegen. Zuerst prägt man sich den Abstand der Linien zueinander ein, wenn sie nahe dem rechten Sucherrand liegen. Dann schwenkt man nach links und sieht nach, ob sich der Abstand verändert hat. Wenn ja, dann muss die Kamera noch längs des Schwenkarms verschoben werden. Erst wenn keine Änderung des Abstands mehr feststellbar ist, dann liegt der Nodalpunkt genau auf der Drehachse des Schwenkarms.

Wenn man es ganz genau nähme, dann müsste man den Kopf erst nach dem Fokussieren einrichten, denn auch mit der Änderung der Entfernungseinstellung ändert sich die Lage des Nodalpunkts geringfügig. Bei der Verwendung eines Zoomobjektivs ist die Sache gleich noch viel komplizierter, denn natürlich ist bei jeder Brennweitenverstellung der Nodalpunkt neu zu ermitteln. Ich selbst gehe die Sache pragmatischer an: Ich verwende, wie schon in einem früheren Beitrag erwähnt, nur Festbrennweiten, arbeite mit ziemlich stark geschlossener Blende und stelle die Entfernung aud die hyperfokale Distanz ein. Natürlich ist der Autofokus ausgeschalten. Damit wird die größt mögliche Schärfentiefe erreicht und ich muss nur aufpassen, dass kein Teil des Motivs die Schärfe-Nahgrenze unterschreitet, die aber bei meinen derzeit in Verwendung befindlichen Objektiven zwischen 30 Zentimetern und 2 Metern liegt. Unter diesen Voraussetzungen reicht es, für jedes Objektiv den Nodalpunkt nur einmal zu ermitteln und den gefundenen Wert auf einer Skala am waagrechten Arm des Nodalpunktadapters zu markieren oder einfach auf einem Blatt Papier (oder im Gedächtnis) zu notieren.

Der Nodalpunktadapter ist fast das einzige Spezial-Ausrüstungsstück, das für die Panoramafotografie nützlich, wenn nicht notwendig ist. Alles weitere lässt sich auch anderweitig verwenden. Dazu gehört natürlich ein stabiles Stativ. Sehr brauchbar ist auch ein Winkelsucher und ein Kabelauslöser.