Warum zum Teufel braucht man mehrere Kamerasysteme?

Warum zum Teufel braucht man mehrere Kamerasysteme?

Neulich las ich in einem Forum von jemandem, der ca. 30 alte und neuere Kameras und 50 Objektive sein eigen nennt, dass er aus Prinzip nur max. 500,- pro Objektiv ausgebe, da er gerne mit unterschiedlichen Kamerasystemen spiele und sich nur duch diese ‚vernünftige‘ Selbstbegrenzung für alle Systeme parallel vergleichbare Brennweiten kaufen könne…

Warum zum Himmel braucht man mehrere Systeme, die einen identischen fotografischen Bereich abdecken? Klar – es ist der männliche Sammel- und Spieltrieb, den wir alle kennen, den wir aber in uns unbedingt bekämpfen sollten; denn beide Triebe schaffen keine guten Fotos. Ich weiß, ich weiß – es fällt schwer bei diesem Überangebot an reizvollen High-Tech-Kameras (besonders die im Retrro Look (;-) ) – aber es muss sein!

Ich sage da: Lieber weniger sammeln und spielen (doppeltes Zeug verkaufen), nur ein intensiv genutztes Kamerasystem und dafür vorne ein TOP-Objektiv dran… Das gibt mir bis an mein Lebensende eine technisch hervorragende Bildqualität, egal welche Cam ich davorklemme… Was will ich mehr?

Mein Prinzip ist also genau das gegensätzliche:

  1. keine sich überschneidenden Kamerasysteme (z.B. DSLR-System UND DSLM-System )
  2. jedes Kamerasystem muss einen eindeutigen Zweck erfüllen, den das andere NICHT erfüllen kann (z.B. die Ricoh GR ist unauffällig und besonders Street-geeignet, die Canon 5D MK 3 NICHT etc.)
  3. bei Objektiven nur die besten bzw. die finanzierbaren Schnäppchen mit der besten technischen Bildqualität – alternativ natürlich die Objektive mit dem besonderen ‚Charakter‘, die dem eigenen Bildstil am ehesten entsprechen (das könnte dann auch eine Linse sein, die technisch ‚unperfekt‘ ist);
  4. lieber eine Brennweite NICHT abdecken als eine schlechte Zoom-Linse oder eine mittelmäßige Festbrennweite ohne ‚Charakter‘.

Diese Prinzipien sind m.E. aus der Sache (Ziel: gute Fotos machen) selbst sinnvoll und würden ggf. auch den Kauf von 3000,- EUR teuren Optiken rechtfertigen (Zeiss Otus z.B.) oder von 5,- EUR Grabbeltisch-Linsen, wenn das fotografische Ziel als solches vernünftig ist (z.B. ich brauche die herausragende Schärfe und das Bokeh des Zeiss Otus bei Offenblende für spezielle Fotomotive/für Kundenaufträge bzw. ich brauche diese verrottete Billig-Linse für meine Bilder mit dem verrotteten Style etc.).

Natürlich muss wohl nicht mehr betont werden, dass auch mein Prinzip der bestmöglichen technischen Bildqualität konterkariert wird durch begabte Fotografen, die mit Smartphone-Bildern Preise gewinnen… Den fotografisch geschulten Blick kann keine Ausrüstung der Welt ersetzen. Umgekehrt gibt es Fotografen, die mit gutem Grund 3 verschiedene Kamera-Systeme für 3 verschiedene Arten Ihrer Bilder benötigen – z.B. schreibt der Porträtfotograf Stephen Vanfleteren:

Everything depends on the assignment. For portraits I often use a Pentax 6/7 with only the standard lens. The Canon 5D for the fast job and pure reportage. For the more personal, intimate work, nothing beats the eternal love for my old, worn out and, unfortunately sometimes unreliable, Rolleiflex [Rolleiflex SL66, RS].

Und damit ist im Grunde alles gesagt: Die fotografische Intention rechtfertigt jedes fotografische Mittel; Spieltrieb und Sammeltrieb sind aber keine fotografischen Intentionen.

Und es gibt übrigens noch einen gewichtigen Grund für die bewußte Reduzierung der eigenen Ausrüstung und das Vermeiden von sich funktional überschneidenden Kamerasystemen – (ich will mal behaupten: sehr viele herausragende Fotografen haben es deshalb genauso so gemacht):

Nur wenn man ein Kamerasystem und ein Objektiv immer und immer wieder benutzt, lernt man es so genau kennen, dass man es optimal nutzen kann. Ich nenne hier als Beispiel nur mal Eugène Atget mit seiner auch damals bereits veralteten 18×24 Kamera, Vivian Maier mit Ihrer Rolleiflex, Henri Cartier Bresson mit seiner Leica und dem einen 50mm-Objektiv, René Burri mit seiner Leica M2, David Bailey mit seiner Rolleiflex Twin 2.8, Paolo Pellegrin mit Canon EOS 5D Mark 2+3, Jan Grarup mit seinen beiden digitalen Leicas mit Voigtländer-Objektiven etc.

Pointiert gesagt: Je besser der Fotograf, umso stärker wird die Ausrüstung selektiert und auf wenige – diese aber umso häufiger verwendeten – Bestandteile reduziert.