Für mich ist und bleibt W. Eugene Smith einer der bedeutendsten Fotografen. Mit dieser Einschätzung stehe ich übrigens keineswegs alleine da. Beim Suchen seiner Bilder im Internet fiel mir auf, dass es keine repräsentative Website gibt, die sein Werk umfänglich und systematisch darstellt. Ein solches öffentliches Archiv seiner Bilder wäre auch für heranwachsende Fotografengenerationen unabdingbar. Smith soll z.B. bei seiner Pittsburgh-Serie 21.000 Fotos gemacht haben:  Wir finden nicht einmal einen Bruchteil dieser Bilder im Web – schon gar nicht vernünftig aufbereitet. Selbst der ‚Bilderausschuss‘ eines Meisters wie Smith ist noch tausendmal mehr wert als der Bildermüll, mit dem wir heute in Communities wie Flickr oder der Fotocommunity überschüttet werden.

Während auf Flickr z.B. ca. 100 Mio größtenteils belanglose Bilder in teilweise riesigen Auflösungen vorliegen, sind die grandiosen und immer noch aktuellen Industriereportagen (Pittsburgh, Minamata) von W. Eugene Smith, seine erschreckenden Kriegsbilder und die wichtigen Alltagsreportagen (Landarzt, Klu-Klux-Klan, Krankenschwester, Albert Schweitzer etc.) nur äußerst verstreut in lächerlichen Briefmarkengrößen und ohne tiefere Werkinterpretationen nahezu unzugänglich für eine größere Öffentlichkeit.

Die einzigen übersichtlichen Websites, die ich bisher zum Werk gefunden habe, sind

(A) die entsprechenden Rubriken auf Magnum Photos mit ca. 300 seiner Meisterwerke: www.magnumphotos.com alle Bilder in der üblichen ‚Magnum-Minigröße‘ und entstellt durch das mehrfach eingedruckte Magnum-Wasserzeichen;

(B) die Website des W. Eugene Smith Memorial Funds: www.smithfund.org : Eine grottenlangsame Internetseite mit nur ganz wenigen Bildern von Smith in Briefmarkengröße, also geradezu prädestiniert dafür, um nicht besucht zu werden.

Mich beschleicht der Verdacht, dass Fotos und Fotoserien, die aufgrund Ihrer emotionalen Tiefe tatsächlich dazu geeignet sind, Menschen zum Handeln zu bewegen, bewußt von einer größeren Öffentlichkeit ferngehalten werden. Mehrfach ausgezeichnete neuzeitliche Reportagefotografen wie z.B. Lu Guang oder Jan Grarup haben nicht mal eine eigene Website und können – fast schon selbstverständlich für unsere Gesellschaft – , von Ihrer wichtigen und oft lebensgefährlichen Arbeit kaum leben. Viele erhellende Bilder, die uns über die Realität aufklären könnten, verschwinden unveröffentlicht in den Schubladen großer Bildagenturen oder werden bewußt unter Verschluss gehalten.

Während jeder auch nur mittelmäßige Blümchenfotograf heute online seine digitale Märchenwelt breitwalzen darf, werden uns die großen Realisten der Fotografie im Web vorenthalten. Fotobände sind durch ihre hohen Preise i.d.R. nur für eine verschwindend kleine Minderheit zugänglich.

Wenn also diese wichtigen Fotos so vor uns versteckt werden, heißt das dann, dass sie Wahrheiten transportieren, die wir nicht wissen sollen?

Ein Foto wie z.B. das weltberühmte Bild einer Mutter aus Minamata, die ihre durch Quecksilber vergiftete und schwer verkrüppelte Tochter im Arm hält (hier der Link zum Bild), wirkt in dem entsprechenden Informationszusammenhang über die Verursacher des Umweltverbrechens stärker als alle Abhandlungen über Quecksilbervergiftungen; ein solches Bild wird sofort und unmittelbar weltweit von allen Menschen verstanden und führt alle Ausreden ad absurdum, die ein Firmen-Management in solchen Fällen immer bereithält.

Genau hierin liegt die Gefahr solcher Bilder für die etablierte Meinungsmache. Und genau deshalb bekommen wir so selten zu sehen, was engagierte und mutige Fotografen uns über den Zustand der Welt in ihren Foto-Serien mitteilen könnten.