Ein großer Reiz des Panoramas ist es, dass man sein Motiv niemals zur Gänze sieht, bevor man es nicht fertiggestellt hat, das heißt, bis nicht alle Einzelbilder am Computer zu einem Ganzen zusammengesetzt sind. Bis es soweit ist, ist immer die Spannung da: Wird alles so, wie man es sich vorstellt? Dieser Reiz ist gleichzeitig auch die Schwierigkeit, denn es kann leicht passieren, dass das Ergebnis überhaupt nicht den Erwartungen entspricht, die man in dieses Motiv gesetzt hat.

Das betrifft – schon rein formal – den Ausschnitt, der sich im günstigsten Fall und mit einiger Erfahrung vor Ort erahnen, aber unmöglich genau festlegen lässt.

Das betrifft aber auch die Präsenz, die einzelnen Elemente des Motivs im fertigen Bild zukommen wird. Und dabei ist die Gefahr des Über- oder Unterschätzens vor Ort sehr groß. Je näher ein Objekt ist, desto stärker drängt es sich auf und je weiter entfernt es ist, desto stärker tritt es in den Hintergrund. Dieser Effekt ist nichts Neues – und keineswegs nur auf Panoramen beschränkt: Diese Wirkung kennt jeder, der schon einmal mit einem Weitwinkelobjektiv fotografiert hat. Aber wenn man schon im Sucher das gesamte Motiv sieht, dann ist der Effekt leichter zu kontrollieren. Die Stärke der Wirkung ist ja nur dann abzuschätzen, wenn man auch das gesamte Umfeld mit einbezieht. Und das ist bei der Aufnahme der Teilbilder des Panoramas so gut wie unmöglich.

Der Ausschnitt lässt sich schon deshalb nicht exakt festlegen, weil die Bilder vor dem Zusammensetzen verformt werden müssen. Auf die Gründe dafür möchte ich ein andermal eingehen. Diese Verformungen werden jedenfalls auch an den Bildrändern, normalerweise sind es Aufwölbungen der Bildkante, sichtbar und müssen am endgültigen Bild abgeschnitten werden. Es empfiehlt sich daher, den Beschnitt schon bei der Aufnahme einzukalkulieren. Mir ist es mehrmals so ergangen, dass ich den Beschnitt zu knapp kalkuliert hatte und dass der Ausschnitt dem fertigen Panorama dann den Anschein gab, willkürlich abgeschnitten zu sein. Und auch heute passiert es mir immer wieder, dass ich mich in dieser Beziehung verschätze.

Es hilft also nichts: Wenn das Panorama nicht den Erwartungen entspricht, dann muss man abschätzen, ob eine Umsetzung gemäß den eigenen Vorstellungen überhaupt möglich ist. Im positiven Fall muss man die ganze Prozedur wiederholen, von den Aufnahmen bis hin zum Zusammensetzen am Computer. Mir sind aus dem heurigen Sommer noch 4 oder 5 Locations übriggeblieben, bei welchen ich das Gefühl habe, dass noch mehr drinnen ist, als mir gelungen ist, herauszuholen – trotz einer bis zu fünfmaligen Wiederholung der Aufnahmen.

Diese Arbeitsweise legt ein ganz anderes Emotionsspektrum um die Tätigkeit des Fotografierens. Es zählt nicht mehr der Moment, vor allem der entscheidende Moment, in dem der Druck auf den Auslöser erfolgen muss, sondern die ständige Beobachtung der Umwelt, das ganz bewusste Wahrnehmen von allem, was einen rings umgibt. Hat man erst einen Platz als Standort für ein Panorama ins Auge gefasst, dann wird abgeschätzt, zu welcher Tages- und eventuell auch Jahreszeit das Licht am günstigsten für die Aufnahmen ist. Das geschieht meist ohne Fotoausrüstung.

An einem anderen Tag, wenn die Tageszeit und das Wetter stimmt, kommt man dann wieder. Fast ritualisiert ist der folgende Ablauf. Aufbauen des Stativs, horizontales Ausrichten, Befestigen der Kamera, Belichtung messen und schließlich Belichtung und Entfernung an der Kamera einstellen. Soweit die Vorbereitung.

Dann beginnen die Aufnahmen. Je nach verwendeter Brennweite ist eine andere Anzahl an Einzelansichten nötig, um die gesamten 360° einschließlich eines Überlappungsbereichs abzudecken. Für jede dieser Einzelansichten wird eine Belichtungsreihe angefertigt im Bereich zwischen der vorher ermittelten längsten und kürzesten Belichtung. Das kann nun ohne weiteren Blick durch den Sucher geschehen. Ich beginne jeweils mit der längsten Belichtungszeit und verkürze die Belichtung jeweils um einen Belichtungswert bis zur kürzesten. Die Blendeneinstellung muss während der ganzen Aufnahmeserie gleich bleiben. Änderungen an der Blende hätten auch eine veränderte Schärfentiefe zur Folge, was leicht später beim Zusammenfügen sichtbar werden könnte. Auch die Entfernungseinstellung darf sich während der ganzen Serie nicht ändern, ebenfalls um die Schärfentiefe konsistent zu halten.

Dass natürlich auch der Zoomring fixiert bleiben muss, versteht sich wohl ohnehin. Noch besser ist es, gleich von vorneherein ausschließlich mit Festbrennweiten zu arbeiten. Ich habe zwar meine ersten Panoramaversuche mit Zoomobjektiven gemacht, habe das aber sehr bald aufgegeben: Da praktisch jedes 360°-Panorama auch einen Gegenlichtbereich hat, spielt eine exakt an die Brennweite angepasste Sonnenblende eine große Rolle. Nur mit einer möglichst wirksamen Abschirmung des direkten Lichteinfalls ins Objektiv hat man die Chance, die Blendenflecken nicht zu Kaskaden anwachsen zu lassen. Bei einem Zoomobjektiv ist das bestenfalls bei der kürzesten Brennweite der Fall und damit wäre der gesamte Zoombereich gegen die längeren Brennweiten zu nur sehr eingeschränkt oder überhaupt nicht einsetzbar.

Ich verwende derzeit vier verschiedene Festbrennweiten: 24 mm, 20 mm, 14 mm und ein Fisheye mit 10 mm Brennweite. Bei Berücksichtigung des Crop-Faktors ergeben sich daraus folgende scheinbare Brennweiten: 38,4 mm, 32 mm, 22,4 mm und 16 mm. In diesem Bereich (und darunter) wären also Brennweiten für eine Vollformat-Kamera sinnvoll einsetzbar. Längere Brennweiten würden die Anzahl der Einzelbilder drastisch erhöhen und das Seitenverhältnis des resultierenden Panoramas fast ins Extreme steigern. Ich habe zu Anfang meiner Experimente auch zwei oder drei Panoramen mit 28 mm Brennweite (44,8 mm unter Berücksichtigung des Crop-Faktors) gemacht. Ich benötigte um die 30 Aufnahmen, um den vollen 360°-Bereich abzudecken und das fertige Panorama war schließlich ca. 9 Mal so lang wie hoch. Außer in ganz speziell gelagerten Fällen lassen sich solche Bilder gar nicht mehr wirkungsvoll präsentieren. Im allgemeinen bleibt daher die längste Brennweite, die ich verwende, 24 mm.

Je kürzer die Brennweite, desto weniger wirksam ist die Sonnenblende, die im Fall meiner beiden kürzeren Brennweiten außerdem nur noch aus vier kleinen Läppchen besteht, die fix auf den Objektivtubus angebaut sind. Da beide Objektive infolge der hochgewölbten Frontlinse auch nicht die Möglichkeit bieten, in klassischer Weise Filter zu verwenden (etwa Polarisationsfilter), wird die Gegenlichtsituation (zumindest in diesen Fällen) oft problematisch. Außer auf die Vergütung zu vertrauen, kann man nur noch bei der Standortwahl darauf achten, dass irgendein Objekt, ein Haus, ein Hügel, eine Verkehrstafel oder was auch immer, die direkte Sonne verdeckt, beziehungsweise abschätzen oder beobachten, zu welcher Tageszeit genau das der Fall ist. Natürlich kann man auch den Lichteinfall in die Gestaltung mit einbeziehen (wie es gelegentlich auch bei Einzelaufnahmen vorkommt) aber die Wirkung im Gesamtbild ist praktisch nicht abzuschätzen, sodass das Gelingen des Panoramas in diesen Fällen zum Teil auch Glückssache bleibt.


Die Sonne sollte ursprünglich durch das Entlüftungsrohr abgedeckt sein, aber bis ich zu dieser Stelle kam, war sie schon um das kleine Stückchen zuviel weitergewandert.Für eine größere Ansicht auf


Ich nehme an, dass sich die Technik der Belichtungsmessung noch verfeinern lässt – und Messprofis würden wohl einen Spotmeter verwenden. Da man aber bei diesen Geräten, die einen Meßwinkel von bloß 1° haben, vieles falsch machen kann, wenn man nicht genau weiß, was man tut, verwende ich lieber einen „normalen“ Belichtungsmesser, einen Polysix electronic von Gossen, der in den späten Sechzigerjahren gebaut wurde. Das Gerät kann mit dem heutigen Stand der Technik sicher nicht mithalten, aber für meinen Bedarf hat es zwei ganz wichtige Features, die ich an einem aktuellen Gerät ziemlich teuer bezahlen müsste:

  • Der Messwinkel lässt sich auf 30°, 20° oder 10° ohne Vorsatzgeräte einstellen, wobei 10° für meine Zwecke ideal ist. Über einen eingebauten kleinen Sucher kann man den Messbereich ziemlich genau anvisieren.
  • Mittels eines Widerstands lässt sich die Messempfindlichkeit erhöhen, sodass zuverlässige Messungen auch im Dämmerlicht noch möglich sind.

Natürlich können das auch modernere Geräte. Aber für diese muss man gut und gerne € 500.- bis € 600.- hinlegen, während der Polysix bei ebay gelegentlich für Summen zwischen € 30.- und € 40.- ersteigert werden kann. Wenn also kein anderer Messbedarf besteht, als den Dynamikumfang einer Panoramaszene auszumessen (etwa Blitzmessung), so ist der Polysix bestimmt eine günstige und trotzdem zuverlässige Alternative.

Es geht bei Panoramen nun nicht darum, die optimale Belichtungseinstellung für eine einzelne Aufnahme zu finden, sondern darum, die Einstellung zu finden, mit der die hellste Stelle der Szene noch optimal belichtet wird und jene Einstellung, mit der die dunkelste Stelle ebenfalls optimal belichtet wird. Dazu messe ich – wie gesagt, mit 10° Messwinkel – 5 bis 6 Stellen an, die nach meinem Empfinden die hellsten sein könnten und merke mir nur den Wert der kürzest angezeigten Belichtung. Genauso mache ich es bei der Ermittlung der dunkelsten Stelle. Hier gilt der Wert der längsten Belichtung. Der daraus resultierende Dynamikumfang unterteilt in Schritte von jeweils 1 EV ergibt die Belichtungsreihe, die dann für jeden einzelnen Ausschnitt des Panoramas angefertigt wird. Ich kann schwer erklären, warum gerade der Messwinkel von 10° ideal ist. Diese Erkenntnis ist einfach das Resultat von mehreren Versuchen, auch mit anderen Messwinkeln. Wahrscheinlich engen die 10° den Messbereich soweit ein, dass man von einer sehr engen Selektivmessung sprechen kann, die für die Extremwerte des Dynamikumfangs ausreichend genaue Ergebnisse liefert, ohne dem Fotografen jene Präzision und jene messtechnische Erfahrung abzuverlangen wie ein Spotmeter mit 1° Messwinkel.


Der Polysix electronic


Man kann auch mit der Kamera den Dynamikumfang ermitteln, wie ich es ursprünglich auch selbst gemacht habe. Nur sind die Messmethoden nicht dazu ausgelegt, die Extremwerte zu ermitteln, sondern eher den optimalen Mittelwert. Das gilt sowohl für die Mehrfeldmessung, als für die Integralmessung, auch für die mittenbetonte. Selbst wenn die Kamera über eine Spotmessung verfügt, dann ist der Messwinkel dennoch brennweitenabhängig – und bei Brennweiten von 14 oder 10 mm kann von „Spot“ wohl kaum mehr die Rede sein. Zudem lässt sich der Meßbereich im Sucher nicht genau eingrenzen. Man kann natürlich auch ein leichtes Tele mitnehmen, mit diesem Objektiv an der Kamera messen, nach der Messung das Objektiv gegen das Aufnahmeobjektiv austauschen und mit der gleichen Blende die ermittelte Belichtungsreihe einsetzen. Dann allerdings ist das Messverfahren wohl kaum einfacher als mit einem Handbelichtungsmesser. Jemanden, der sich nebenbei einmal an einem Panorama versuchen will, ohne zu wissen, ob er oder sie sich tatsächlich ernsthaft darauf einlassen wird, würde ich trotzdem empfehlen, die Belichtungsmessung zunächst einmal mit „Bordmitteln“ zu versuchen. Der Bedarf an Ausrüstung entsteht in der Praxis. Erst wenn man es vermisst, weiß man, was man wirklich braucht und kann so am ehesten Fehlkäufe vermeiden.

Meist gehe ich von Blende 16 aus. Das ist eine Blende größer als die kleinst mögliche. Weiter öffne ich die Blende nur, wenn die Belichtungszeiten sonst zu lange wären, das heißt, 2 Sekunden übersteigen würden. Bei längeren Zeiten steigt – zumindest bei mir – das Bildrauschen stark an. Hinter dem tendenziell relativ starkem Abblenden steht ein gewisses Sicherheitsdenken. Ich weiß, dass ich bei der längsten zum Einsatz kommenden Brennweite (24 mm) eine Schärfe-Nahgrenze von unter 2 Metern habe, wenn ich auf die hyperfokale Distanz fokussiere. (Die hyperfokale Distanz war in Vor-AF-Zeiten ein wichtiger Begriff: Sie bezeichnet jene Entfernungseinstellung, die bei der gewählten Blende genau bis Unendlich reicht. Mit dieser Einstellung erreicht man die maximale Ausdehnung des Schärfentiefebereichs.) Wichtig ist es, die Nahgrenze der Schärfentiefe bei dieser Einstellung zu kennen und darauf zu achten, dass kein Objekt (unbeabsichtigt) im Bild diese Nahgrenze unterschreitet. Ältere (Non-AF)-Objektive haben fast alle eine doppelte (gespiegelte) Blendenskala, mit deren Hilfe sich der Schärfentiefebereich ablesen lässt. Nur bei moderneren AF-Objektiven glauben manche Hersteller gelegentlich, darauf verzichten zu können.


Hyperfokale Distanz (bei Blende 11) an einem Objektiv älterer Bauart


Ebenfalls in Hinblick auf möglichst wirksame Rauschvermeidung stelle ich die Empfindlichkeit auf ISO 100 ein und gehe nur dann davon ab, wenn es gilt, zu lange Belichtungszeiten zu vermeiden. Obwohl das Rauschen auch bei Empfindlichkeitserhöhung ansteigt, wirkt es sich bei weitem nicht so stark aus wie bei Langzeitbelichtungen. Bis zu ISO 800 kann man es in jedem Fall als unproblematisch betrachten, selbst in den Schattenbereichen.

Es wäre für die Panoramafotografie eine Kamera ohne jede Belichtungsautomatik ebenso brauchbar wie ein Objektiv, das nur manuelle Fokussierung zulässt, denn jede Automatikfunktion wird ohnehin abgeschaltet. Das bedeutet auch, dass Kamera und Objektiv auf ihre Basisfunktionalität zurückgeworfen werden und hier – abseits jeder werbewirksamen Automatisierung – ihre wesentlichen und eigentlichen Qualitäten unter Beweis stellen müssen.

Bei meiner Ausrüstung kann ich mich – unter Zugrundelegung realistischer Möglichkeiten – über die Qualität nicht beklagen. Es bleiben aber hinsichtlich des Handlings doch noch einige Wünsche offen. Zwar stellt die Kamera die Möglichkeit, Belichtungsreihen automatisch zu belichten, zur Verfügung, allerdings nur über 3 Stufen. Ließe sich diese Belichtungsreihenautomatik auf bis zu 9 Stufen erweitern, dann wäre das auch für meinen Bedarf ein wertvolles Feature. Wenn das nicht geht, dann wäre mir mit einem Kabelauslöser (oder drahtlosen Fernauslöser) auch sehr geholfen, der die Möglichkeit böte, zwischen den Aufnahmen die Belichtungszeit zu verändern. Beides würde mich der Notwendigkeit entheben, zwischen den einzelnen Belichtungen die Kamera selbst anzufassen und über ein Rändelrad die Belichtungszeit neu einzustellen. Selbst bei der allergrößten Vorsicht geht das nicht ganz ohne Erschütterung ab, die möglicherweise auch den Ausschnitt um einige Haaresbreiten verändern. Aber nachdem die Panoramafotografen sicher nur eine kleine Minderheit der Käufer sind, werden die Hersteller nicht so bald auf solche Wünsche reagieren, auch wenn man in Betracht zieht, dass die HDR-Fotografen eine immer größer werdende Gemeinde sind, die sich mit ähnlichen Problemen konfrontiert sehen.

Der gesamte Prozess der Bildfindung und Bilderstellung fordert vom Fotografen also ein ganz anderes Temperament als von jenen Kollegen, denen zwischen dem Erkennen des Motivs und der Auslösung vielleicht nur Sekundenbruchteile bleiben. Man könnte fast von einer Entwicklung des Motivs im Kopf über Tage oder gar Wochen hinweg sprechen. Alleine das Absuchen eines möglichen Motivs nach seiner Wirkung hat schon fast meditativen Charakter, während die Ausführung dann eine Abfolge von weitgehend gleichbleibenden Einzelschritten ist, die man am Besten tatsächlich ritualisiert und in einer stets gleichbleibenden Reihenfolge ausführt. Nichts ist unangenehmer, wenn das leise Surren des AF-Motors nach der Hälfte der Einzelaufnahmen verrät, dass man vergessen hat, den AF abzuschalten.

Passende Links

Ausführliche Darstellung der hyperfokalen Distanz
Skript zum Berechnen der hyperfokalen Distanz