Die Galerie der Fotocommunity.de: https://www.fotocommunity.de/pc/pc/channel/2 ist ein ideales Testfeld für visuelle Gewohnheiten und Präferenzen der Durchschnittsfotografen.

Träume, romantische Naturvorlieben, harmonische Tierwelt, „weibliche und männliche Schönheit“, „Reinheit“ der kornlosen Digitalfotos, welche Sozialkritik wird noch in einem Foto toleriert… etc. all das läßt tief blicken, aber nur unter analytischem („Susan-Sontag-View“) Gesichtspunkt, weniger unter künstlerischem. Denn mit Foto-Kunst hat die Galerie nichts zu tun. Was bekommen wir nämlich zu sehen:

  • Nichtssagende Gesichtsausdrücke eitler Fatzke
  • Gekünstelte Blicke topgestylter Models
  • Weichgespülte, weichgetontes Bildchen von Models, die sich über die FC zu verkaufen versuchen
  • Ästhetik des Grauens (Jagdbomber in Formation am schönen blauen Himmel od. ä.)
  • Verlogene Bildmontagen
  • Illusion der ‚Reinheit der Natur‘
  • Fussball rechtzeitig zur WM
  • Werbefotografie für die Reichen
  • Hübsche Models und süße Tiere mal in edler Kombination
  • Hollywood-Verschnitte
  • etc. etc.

diese Parade der Klischees könnte man beliebig fortsetzen. Die Galerie ist auch eine Galerie der Eitelkeiten. Man darf sie auf keinen Fall unter fotokünstlerischen Gesichtspunkten ernst nehmen. Manche Fotografen sind verletzt, wenn ihre Bilder nicht in die Galerie gewählt werden. Falsch gedacht! Sie sollten stolz darauf sein, dass der Mainstream sie abgevoted hat. Man könnte hier sogar den Ehrgeiz entwickeln, möglichst viele CONTRA-Stimmen zu erhaltenWer es bei diesem Wettbewerb erreichte, 3 PRO und 1000 CONTRA-Stimmen unter sein Bild zu versammeln, würde das Gütesiegel FC-Galerie-resistentes Foto‚ erhalten. (;-)

Man muss die FC-Galerie also eher für sich nutzen, um moderne Sehgewohnheiten zu analysieren; diese kann man dann in den eigenen Fotos entsprechend konterkarieren, um Qualität zu erzeugen.

Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen und habe einmal den Typus der Galeriefotos in der FC ein wenig geordnet: Hier ist das Ergebnis:

Von 350 Bildern sind:

40 Fotos : „Süße“ Tiere [pseudowild], oft Vögelchen, auch Papageien [weil so schön bunt]
34 Fotos : Schöne Girls und sexy Body (Alter 16-25, meist weiblich)
34 Fotos : Geschönte Naturpanoramen
30 Fotos : Teilweise brauchbare Street-Reportageaufnahmen – aber NIE mit politisch-kritischem Hintergrund –  IMMER in der Art: „Armut kann auch schön sein„, wenn man sie in der richtigen S/W-Tonung rüberbringt
26 Fotos : Die lieben und natürlich superscharfen Insekten
22 Fotos : Geschönte Architektur
19 Fotos : Dingliche Details (Zäune, Wassertropfen etc.)
15 Fotos : „Gefährliche“ Tiere (Schlangen, böse Raubkatzen etc.)
13 Fotos : „Metaphorische“ Bilder / Montagen etc.
12 Fotos : „Süße Kinder“ (meist hübsche Mädchen im holden Alter von 5-9 Jahren)
12 Fotos : Geschönte Blümchenaufnahmen
12 Fotos : Geschönte Stadtpanoramen
10 Fotos : „Süße“ Haustiere: Das Kätzchen auf dem 1. Platz
6 Fotos: Geschönte Industrieaufnahmen
6 Fotos: „Schöne“ Autos (Oldtimer, Sportwagen etc.)
5 Fotos: Körperdetails (vorzüglich süße Babyhändchen, die in großen Mannerhänden ruhen od. ä.)
4 Fotos: Witzige Menschenaufnahmen
3 Fotos: Gestellt „tiefsinnige“ Porträts – meist schöne Männer mittleren Alters, mit Marlboro-Furchen
1 Foto : Liebespaare

Auch ich fotografiere gerne niedliche Kinder, Blümchen und Details auf dem Schrottplatz: Trotzdem wundere ich mich immer wieder über die Begeisterung für Insekten.  Denn mit John Cowper Powys bin ich der Überzeugung: “Die Welt der Insekten ist eine scheußliche und schreckliche Welt, beherrscht von einem ungeheuren mechanischen Wahnsinn”. Schon mal mit dem Makro beobachtet, was passiert, wenn eine fette unschuldige Made in einen Ameisenhaufen fällt? Oder wie die lieben Bienchen mit Nicht-Stammesmitgliedern umgehen… Solche Bilder erhalten freilich keine Galeriepünktchen. Sie wären ja auch realistisch…

Manchmal frage ich mich sogar, was scharfe Insekten, süße Tiere, schöne Girls, putzige Kätzchen mit unserer lieben Realität zu tun haben: Eigentlich verdammt wenig – oder?

Hat die Fotografie nicht auch die Aufgabe, etwas über unsere Wirklichkeit zu berichten?